Umbrüche in der Archäologie

Bei Grabungen im Südosten der Türkei wurde vor einigen Jahrzehnten eine Entdeckung gemacht, die die Welt der Archäologen gehörig durcheinander wirbelte. Im Mittelpunkt der Kontroverse stand Klaus Schmidt, der ab 1995 eine Grabung auf dem sog. Göbekli Tepe leitete, dem "Nabelberg". Dort wurden große T-förmige Stelen und Mauern entdeckt; die Stelen waren zum Teil mit Reliefs von Tierfiguren verziert. Als man die Funde datierte, gab es eine große Überraschung: die ältesten Anlagen wurden offenbar bereits vor fast 12000 Jahren errichtet.

Dazu muss man wissen, dass zu dieser Zeit die Menschen gerade erst sesshaft wurden. Die ersten Bauern bauten Getreide an, das nicht nur zur Nahrungsversorgung diente, sondern auch schon früh zu Bier weiterverarbeitet wurde. Diese Phase wird als Jungsteinzeit bezeichnet. Zu Beginn gab es nur eine langsame Entwicklung, Keramik wurde beispielsweise etwa vor 8500 Jahren erfunden - Metallverarbeitung vielleicht vor 6000 Jahren. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Hochkulturen in Ägypten und den heutigen Irak. Das Menschen zu einer solchen kulturellen Leistung wie bei Göbekli Tepe bereits vor fast 12000 Jahren fähig waren, überraschte wohl die meisten Archäologen.

Auch in Amerika scheint sich ein solcher Umbruch vorzubereiten. So scheint der Doppelkontinent wesentlich früher von Menschen besiedelt worden zu sein, als bisher angenommen. Mexiko und auch Brasilien stehen in dem Fokus der Forscher. Die sog. Clovis-First-Theorie ist wohl nicht mehr zu halten. Bisher wurde die sog. Clovis-Kultur als die älteste Kultur Amerikas angesehen, sie bestand etwa vor 11000 Jahren. Die Menschen damals hinterließen typische Steinwerkzeuge, mit denen sie Jagd auf die eiszeitliche Tierwelt Nordamerikas machten. Der Korridor von der Beringlandbrücke bis in den eisfreien Süden war aber nicht immer offen, daher ist es umstritten, wie die frühen Menschen bis zu den neu entdeckten Fundstellen in Mexiko oder Südamerika gekommen sind. Es scheint aber einiges dafür zu sprechen, dass bereits vor 30000 Jahren Menschen in Amerika siedelten. Nicht nur die Passage des Nordamerikanischen Eisschildes war schwierig. Nach heutigen Erkenntnissen war die Beringlandbrücke nur für einen relativ kurzen Zeitraum trocken gefallen, und zwar am Höhepunkt der letzten Eiszeit vor mehr als 20000 Jahren. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb sich die Clovis-First Theorie so lange halten konnte.

Doch können die oben genannten Funde an den Grundfesten der Archäologischen Chronologie rütteln? Nun, Archäologie ist eine zeitaufwändige Wissenschaft, und deshalb etablieren sich neue Ideen nur sehr langsam. Zumindest wurde die bisherige Annahme nicht in Frage gestellt, dass die Sesshaftigkeit mit Ackerbau und Viehzucht, die die Grundlage für jede Hochkultur darstellt, nicht vor 12000 Jahren auftrat. Diese Zäsur markiert auch ungefähr das Ende der letzten Eiszeit. Aber wie gesagt, es ist nicht in Stein gemeißelt, dass es vielleicht nicht doch neue Entwicklungen geben wird, die für Überraschungen in der archäologischen Welt sorgen werden.

Bildquelle: Wikipedia

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